Bei der ostfriesischen Tracht denken viele nur an „alte Kleidung von früher“, dabei steckt darin jede Menge Bedeutung, Symbolik und oft auch subtile Kommunikation. Und ja: Es gibt Details, die kaum jemand kennt, selbst in der Region.
Hier kommt ein Blick auf wenig bekannte Aspekte zur ostfriesischen Tracht und den Farben:
Tracht war nicht einheitlich – sondern regional geprägt
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In Ostfriesland gab (und gibt) es nicht „die eine“ Tracht, sondern regionale Unterschiede, z. B. in:
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Krummhörn
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Brookmerland
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Rheiderland
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Jede Gegend hatte eigene Schnitte, Farben, Haubenformen
→ Tracht war ein Ausdruck der lokalen Identität.
Farben waren nicht zufällig – sondern bedeutungsvoll
Farbe | Bedeutung |
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Schwarz | Trauer, Würde, oft für ältere Frauen oder Witwen |
Dunkelblau | Festlich, aber bescheiden – oft sonntags |
Rot / Weinrot | Zeichen für Jugend, Fruchtbarkeit, manchmal Verlobung |
Grün | Naturverbundenheit, aber auch Wohlstand |
Gold/Silber | Je nach Schmuck: Familienstand, Reichtum, Rang |
→ Die Farben waren Botschaften ohne Worte – die Leute im Dorf wussten genau, was sie bedeuten.
Schmuck und Haube = sozialer Status
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Der „Trachtenschmuck“ war meist Silber – oft schwer und handgearbeitet
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Je mehr Details (z. B. Filigranarbeiten, Haarnadeln, Halsschmuck), desto reicher oder angesehener die Trägerin
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Die Haube war nicht nur Kopfbedeckung, sondern kommunikatives Kleidungsstück:
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Offen oder gebunden, breit oder schmal, verziert oder schlicht – jede Variante hatte soziale Bedeutung
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Männertracht – fast vergessen
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Meist einfarbig (dunkelgrau, schwarz), mit Weste, Halstuch und Schiffermütze
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Besonders zur Kirche oder auf Hochzeiten getragen
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Heute fast komplett verschwunden – in Trachtengruppen meist nur noch Frauen präsent
Tracht = Alltagsmode mit Wandel
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Die Tracht war früher Alltagskleidung mit Bedeutung, nicht „Kostüm“!
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Im 19. Jh. wurde sie langsam ersetzt durch bürgerliche Mode – blieb aber zu:
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Hochzeiten
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Beerdigungen
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Konfirmation
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Letzte generationenübergreifende Trägerinnen: Anfang 20. Jh.
Besonderheiten, die kaum jemand kennt:
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Trachtenspiegel: Kleine Silberspiegel in der Schürze – für Stolz & Kontrolle
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Symbolik in Stickereien: Blumen, Vögel oder Ranken hatten Bedeutungen (z. B. Liebe, Treue, Lebensweg)
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Kindertracht: Gab es früher kaum – erst bei festlichen Anlässen
Heute:
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Nur noch wenige Trachtengruppen erhalten das Wissen (z. B. in Krummhörn, Aurich, Rhauderfehn)
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Tracht wird meist bei Kulturfesten, Plattdeutsch-Veranstaltungen oder Umzügen getragen
Die ostfriesische Tracht war mehr als Kleidung – sie war ein stilles Gespräch aus Stoff, Farbe und Form.
Heute fast vergessen, aber sie erzählt viel über Stolz, Zugehörigkeit und das soziale Gefüge im alten Ostfriesland.
Plattdeutsch: Wat se anhatten, weer ok, wat se sacht hebben.
Hochdeutsch: Was sie trugen, war auch das, was sie sagten.